für vierstimmigen bis achtstimmigen Chor und Orgel
Die meisten deutschen Messordinarien – angefangen bei Schubert und Haydn, um nur die allerbekanntesten zu nennen - verwenden freie Textformulierungen oder überhaupt ganz andere Texte als vom Messbuch eigentlich vorgesehen. Die Frage, warum das so ist, stellt sich den meisten Komponisten anscheinend gar nicht. Mir war jedoch bald aufgefallen, dass diese Messtexte liturgisch oft fragwürdig bis gänzlich unpassend sind, und ich trug mich daher schon Jahre vor der Realisierung des Vorhabens mit dem Gedanken, eine "Deutsche Messe" mit der dem üblichen lateinischen Messtext entsprechenden Übersetzung – also auch mit dem Großen Glaubensbekenntnis – zu schreiben.
Der erste und dritte Teil des Kyrie sind inspiriert vom Anfang des 5. Klavierkonzertes von Ludwig van Beethoven, wo er in der Einleitung des ersten Satzes die Orchesterschläge auf den Hauptstufen mit Kaskaden des Klaviers verbindet, bevor das Hauptthema einsetzt. Diese Idee fand ich von Anfang an faszinierend: In meinem Kyrie habe ich daher die Kadenzstufen chromatisch (versinnbildlicht den Schmerz der Reue) mit ansteigender Stimmenzahl verbunden; allerdings verwendete ich die Stufen der erweiterten Kadenz, um die notwendige Länge zu erreichen.
Im Christe herrscht ein viertaktiges Thema vor, das in der Mitte die unterschiedlichsten Harmonisierungen erlaubt sowie gut gespiegelt und enggeführt werden kann. Im ersten Teil der Fuge (Takte 7-22) wird das Thema einfach durchgeführt. Die zweite Durchführung bringt drei doppelte Einsätze des Themas, jeweils im Abstand von einer halben Note enggeführt (Takte 23-34). In der dritten Durchführung wird das Thema in vier Einsätzen gemeinsam mit der gleichzeitig einsetzenden Spiegelung verarbeitet und leitet direkt über zum zweiten Kyrie, das ich mit einer Coda erweitert habe, um die nötige Schlusswirkung zu erzielen.
Das Gloria beginnt mit dem Hauptthema des Engelchors aus meinem eigenen Weihnachtsoratorium op. 11, allerdings ohne die dort verwendeten Orchesterinstrumente und deshalb im doppelten Tempo. Bei der Vertonung des langen Gloriatextes war es mir – ebenso wie im folgenden Credo – wichtig, den Inhalt auf tonmalerische Weise zu unterstützen. Hier im Einzelnen alles zu erklären, würde den Rahmen dieses Vorwortes sprengen; ich bin aber überzeugt, dass jeder versierte Musiker bzw. auch musikalische Laie die meisten Figuren, Modulationen etc. ohne weiteres selbst hörend bzw. gefühlsmäßig erkennen kann. Als Beispiel möge das kleine Fugenthema (Takte 69-71) dienen, das im Agnus Dei wiederkehrt: Der Tritonussprung a-es symbolisiert die Sünde.
Ab Takt 128 habe ich Papst Benedikt XVI. folgend eine kleine Textänderung vorgenommen: Er erklärt in seinem großartigen Buch "Liturgie und Musik", dass die gängige Übersetzung "zur Ehre Gottes des Vaters" von "in gloria dei Patris" zwar nicht direkt falsch wäre, aber im Hinblick auf die Wiederkunft Christi, um die es an dieser Stelle geht, besser "in der Herrlichkeit Gottes des Vaters"
heißen sollte, da Christus in der Kraft und Macht Gottes wiederkommen werde. Das hat mich unmittelbar überzeugt. Das Anfangsthema des Credos ist Nikolaus Hermanns bekannter Choral "Wir danken dir, Herr Jesu Christ" aus dem Jahr 1551 (GL 297). Auf der ersten und fünften Stufe in allen vier Stimmen enggeführt eröffnet es das Credo und kehrt in der Reprise (Takt 92) wieder. Auch die Tonmalerei spielt wieder eine wichtige Rolle.In diesem Zusammenhang möchte ich auf Takt 42 hinweisen: Es war aus tonmalerischen Überlegungen nötig, dem Alt das fis2 zu geben, obwohl das zugegebenermaßen sehr hoch ist. Es ist sicher günstig, hier einige Soprane aushelfen zu lassen.
Ab dem Sanctus habe ich den Chor zur Achtstimmigkeit erweitert. Nach dem achtstimmig jubelnden Heilig-Ruf werden die Stimmen paarweise imitatorisch zu immer volleren Klängen geführt, was sich im Dreiertakt des Hosannas fortsetzt.Das Benedictus beginnt mit einem sechstaktigen tänzerischen Thema, das eigentlich als zwei 9/4-Takte gedacht ist. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit habe ich es aber im Dreivierteltakt notiert, die normalen bzw. gepunkteten Taktstriche deuten das an. Nach der ersten vierstimmigen Durchführung (Takte 1-24) wird das Thema gekoppelt mit seinem Spiegel achtstimmig durchgeführt (Takte 25-48). Die dritte Durchführung bringt das Thema ebenfalls mit der gekoppelten Umkehrung in Engführung mit dem halben Themenabstand und leitet über zum Dacapo des Hosannas. Ich würde empfehlen, das Benedictus direkt an das Sanctus anzuschließen, obwohl es prinzipiell auch selbstständig musiziert werden kann.
Das Agnus Dei kehrt nochmals zur Vierstimmigkeit zurück und verwendet das oben bereits angekündigte Thema aus dem Gloria: "Du nimmst hinweg die Sünde der Welt". Mit den drei verschiedenen Durchführungen (vier Themeneinsätze in fallenden Quinten, dann vier Einsätze auf dem gleichen Ton und nochmals vier Einsätze in fallenden Quinten um eine Quint höher beginnend, was die einerseits vielfältigen, andererseits immer gleichen und sich darüberhinaus noch steigernden Arten der Sünde widerspiegeln soll) erreicht es die Friedensbitte, in der der Chor wieder achtstimmig aufgefächert wird; zuerst nach unten wie bei einer Verneigung des reuigen Sünders, dann nach oben, wie er das Haupt zuversichtlich zum Gott der Vergebung erhebt.
Die Orgelbegleitung ist obligat; die Bassstimme sollte mit dem Pedal sechzehnfüßig ausgeführt werden, sofern man auf den meines Erachtens sehr zu empfehlenden Kontrabass verzichtet. Die Dauer der Messe beträgt insgesamt zwanzig Minuten.
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