von Ute-Gabriela Schneppat (08.04.2023)
Jedes Jahr zum Weltfrauentag am 8. März wird in der sogenannten Frauenwoche der immer noch ungleichgewichtige Beitrag von Frauen in der Kunstszene beklagt – so auch in der Musikwelt. Ein Kommentar der Flötistin Ute-Gabriela Schneppat.
Homepage: https://www.schneppat-music.de/
Ute-Gebriela Schneppat ist Flötistin, Flötenlehrerin, Expertin für Musikergesundheit und Stressmanagement.
Sie liebt es, ihr Publikum mit mitreißender Musik abseits des Mainstreams zu begeistern und ist stets auf der Suche nach neuen, unbekannten Stücken – besonders aus der Feder von Komponistinnen.
Ihre Spezialität als Instrumentalpädagogin ist gesundes Musizieren von Anfang an. Seit über 20 Jahren hilft sie Musikerinnen und Musikern, schmerzfrei und mit Freude zu musizieren.
Es ist inzwischen schon fast ein Ritual: Jedes Jahr zum Weltfrauentag am 8. März wird in der sogenannten Frauenwoche der immer noch ungleichgewichtige Beitrag von Frauen in der Kunstszene beklagt – so auch in der Musikwelt. Natürlich nicht nur dort. In den deutschen DAX-Unternehmen sind Frauen in Führungspositionen in der Minderheit - trotz der seit 1. August 2022 gesetzlichen Regelung, dass Firmen mit über 2.000 Beschäftigten bei einer Führungsriege von mehr als 3 Managern freiwerdende Vorstandsposten mit Frauen nachbesetzen müssen (ZDF). Immerhin stieg der Frauenanteil bis zum Stichtag 01. Januar 2023 auf 15,5% und somit auf den höchsten Stand seit der ersten Auswertung vor 10 Jahren (tagesschau.de).
Der Frauenanteil in Spitzenpositionen bei deutschen Orchestern mutet mit 28,4% geradezu üppig an (miz). Wenn man bedenkt, dass in den deutschen Orchestern knapp 40% der Belegschaft weiblich ist, ist dieser recht hohe Anteil jedoch noch nicht gut genug. Bei den deutschen Orchestern scheint auch zu gelten: je höher die Position oder der Rang des Klangkörpers ist, desto geringer ist der Anteil der Frauen.
Kann Frau nicht so gut wie Mann spielen? Kann Frau nicht führen?
In der Frauenwoche gibt es sie dann meist auch: Aufführungen von Werken von Komponistinnen. Manchmal sogar eine Uraufführung. Wie z.B. am 10.03.2023 die Uraufführung von dem bezaubernden Stück „Les Eaux célestes“ von Camille Pépin durch das Radiosinfonieorchester des Hessischen Rundfunks.
Trotz allem ist der Anteil der aufgeführten Werke von Komponistinnen verschwindend gering. Außerhalb der Frauenwoche gibt es sie sehr selten zu hören – es sei denn, man besucht die Aufführungen von Musiker*innen, die sich speziell der Verbreitung von „weiblicher“ Musik verschrieben haben. Der Anteil an Werken von Komponistinnen in Abonnementsreihen betrug laut einer Erhebung von femina gerade mal 2%.
Kann Frau nicht komponieren?
„Ein Mann muss Phantasie haben, eine Frau muss sich an Regeln halten. Tut sie es nicht, ist sie keine Frau, tut sie es aber, ist es der Beweis, dass sie keine Phantasie hat.“ Das war die Meinung von Robert Schumann, dessen Frau Clara Wieck-Schumann heute als Komponistin hochgeschätzt wird und deren Werke garantiert nicht qualitativ minderwertig sind. Fanny Hensels Werke wurden sogar zum Teil von ihrem Bruder Felix Mendelssohn Bartholdy unter seinem Namen herausgegeben. Frau kann also doch – und zwar nicht nur einzelne Leuchtfiguren wie die beiden eben Erwähnten.
Frauen hatten es als Komponistinnen früher schwer. Die ihr Leben beherrschenden drei K’s waren Kirche, Kochen, Kinder und nicht etwa Kunst und Kultur. Vereinzelt wurden Komponistinnen zwar auch in vergangenen Jahrhunderten gefeiert – Emilie Mayer oder Cécile Chaminade etwa. Aber meist verschwand ihr Werk mit ihrem Tode in der Versenkung. Die Situation hat sich heute entschieden verbessert: Frauen dürfen inzwischen sogar regulär Komposition studieren. Trotzdem kommen ihre Werke nicht oder wenig im Konzertbetrieb vor. Woran liegt das?
Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Werke von Komponistinnen auch bei Musikerinnen und Musikern wenig bekannt sind.
Als ich in meiner Studienzeit meinen Lehrer fragte, ob ich mal ein Stück von einer Komponistin spielen könne, kannte er genau ein einziges Werk für Flöte und Klavier: „Mime I“ von Jacqueline Fontyn. Dieses Werk sei aber fast unspielbar.
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YouTube-Inhalte anzeigenIch besitze 17 verschiedene Flötenschulen. Zugegeben habe ich nicht von allen Flötenschulen alle Bände. In diesen 17 verschiedenen Flötenschulen habe ich lediglich in dreien Werke von Komponistinnen entdeckt: In Cathrin Ambachs Schule „Querflöte spielen – mein schönstes Hobby“ gibt es diverse Eigenkompositionen der Autorin und in der „Neue Magic Flute“ von Barbara Gisler-Haase gibt es einige Stücke der Jazzflötistin Maria Augustin. In beiden Schulen sind dies – lobenswerterweise – Stücke für Anfänger. In der Flötenschule von Elisabeth Weinzierl und Edmund Wächter gibt es lediglich im letzten Band „Flöte spielen – F“ zwei Stücke von den Komponistinnen Dorothee Eberhardt und Augusta Holmès. Haben Frauen etwa keine Werke geschrieben, die für den Instrumentalunterricht geeignet wären?
Wenn wir etwas verändern möchten, müssen wir bei der Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler beginnen. Sie müssen selbstverständlich auch Werke von Komponistinnen spielen. Und im Schulunterricht muss genauso selbstverständlich vermittelt werden, dass Frauen wunderbare Musik erschaffen haben. Das „Archiv Frau und Musik“ bietet eine Materialsammlung an, die Denkanstöße für Unterrichtseinheiten zum Thema Frau und Musik liefern soll.
Ich erlebe in unseren Konzerten immer wieder, wie verblüfft die Menschen sind, dass Frauen großartige Werke geschaffen haben. Und sie fragen jedes Mal, warum diese Werke nicht öfters gespielt werden. Lassen wir diese wunderbare Musik nicht in den Archiven verstauben, sondern bringen wir sie zu Gehör! Zeigen wir unseren Kindern, dass (klassische) Musik nicht nur von Männern geschrieben wurde – und lassen sie Kompositionen von Frauen genauso selbstverständlich entdecken wie die Werke der großen und kleinen Meister.
Auf der Komponistinnen-Themenseite von Stretta Music finden Sie eine Vielzahl an verlegten Noten von Komponistinnen für alle Instrumente, durch die Sie stöbern können.
Wer gerne selbst verborgene Schätze heben möchte: Das in Frankfurt ansässige „Archiv Frau und Musik“ ist mit über 28.000 Medieneinheiten das weltweit größte Archiv seiner Art. Dort gibt es jede Menge Noten von Komponistinnen zu entdecken. Es gibt dort neben dem geballten Fachwissen Menschen, die für die Werke von Komponistinnen brennen und sich riesig über Jede oder Jeden freuen, den sie auf dieser Entdeckungsreise helfen können.
Wer sich für Flöte interessiert, für die gibt es in meinem Blog-Beitrag über Flötenunterricht mit Werken von Komponistinnen eine umfangreiche Auflistung von Solo- bis Ensembleliteratur von Komponistinnen für den Unterricht. Und wenn dort ein Werk fehlen sollte, freue ich mich sehr über eine Ergänzung der Liste!
Entdecken Sie die Vielfalt und Qualität der Kompositionen von Frauen, denen es lange Zeit verboten war, öffentlich zu musizieren und zu komponieren. Heute bieten diese musikalischen Juwelen eine einzigartige Möglichkeit, die klassische Musikwelt neu zu erleben. Hier finden Sie eine breite Auswahl an Musikbeispielen und Noten von Komponistinnen für Aufführungen und Konzerte. Tauchen Sie ein in die Welt der Komponistinnen und lassen Sie sich von der Schönheit und Kreativität ihrer Musik verzaubern!
weiterlesenTrotz Fortschritten bei der Gleichstellung der Geschlechter in verschiedenen Bereichen sind Frauen in der Welt der klassischen Musik immer noch deutlich unterrepräsentiert. Um dieses Problem anzugehen, haben viele Länder Initiativen zur Unterstützung von Musikerinnen in ihrer Karriere gegründet, darunter Verbände und Musikfestivals. Diese Bemühungen haben dazu beigetragen, die Sichtbarkeit zu erhöhen und Frauen in der klassischen Musik zu stärken.
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