(27.09.2023)
Florian Hatzelmann spielt Tuba auf höchstem Niveau in unterschiedlichsten Stilen: im Orchester des Opernhaus Zürich, bei Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten und der Hip-Hop-Dance-Band Fättes Blech. Wie er diesen Crossover unter einen Hut bringt und auch noch auf Social Media als @_tubaflo erfolgreich ist, lesen Sie in unserem Interview.
Florian Hatzelmann (* 1988), begann seine musikalische Laufbahn zunächst im heimischen Musikverein und machte bereits mit 14 Jahren als Solist auf sich aufmerksam. Nach seinem Abschluss an der Berufsfachschule für Musik bei Peter Seitz studierte er von 2011 bis 2016 an der Zürcher Hochschule der Künste bei Prof. Anne Jelle Visser. In den Jahren 2013 und 2014 war er Tubist im Orchester des international renommierten Schleswig Holstein-Musikfestival. Im Jahr 2013 wurde Florian Hatzelmann Praktikant im Berner Sinfonieorchester und gewann im selben Jahr die Akademiestelle in der Herbert-von-Karajan-Stiftung bei den Berliner Philharmonikern.
Daneben ist er Substitut in namhaften Orchestern wie den Münchner Philharmonikern, dem Gstaad Festival Orchester, dem Sinfonieorchester Aachen und in vielen weiteren Genres und Gruppierungen, wie Alpenblech, Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten und Fättes Blech tätig. Florian Hatzelmann wurde im Jahr 2016 Solotubist im „Niedersächsischen Staatsorchester Braunschweig“ und wechselte 2018 in gleicher Position an das Opernhaus Zürich.
Ich komme aus einem kleinen Dorf im Allgäu und bei uns lief jeden Tag morgens Radio, Bayern 1, Schlager / Oldies und Blasmusik. Ernst Mosch, tschechische Blaskapellen, keine Klassik, kein Hiphop. Mein Papa hatte eine klassische CD von Canadian Brass. Die hab ich öfters gehört und fand den Sound mega: Da spielt z.B. die Tuba ein Fagott-Solo bei Mozart und es kommen die ganzen Klassik-„Schlager“ von „Königin der Nacht“ aus Mozarts „Zauberflöte“ bis hin zu Vivaldis „Jahreszeiten“. Das war die einzige klassische Komponente, mit der ich in Berührung kam. Später habe ich über MTV die aktuelle Pop-Musik kennengelernt.
Als ich darüber nachgedacht habe, Tuba zu studieren, habe ich klassische Musik erst richtig kennengelernt. Dafür habe ich aus den Orchesterstudien für die Probespiele geübt; davor hatte ich eigentlich gar keine Ahnung, was das alles ist.
Am Anfang war es sportlicher Ehrgeiz. Mein Professor hat mir geraten, alles bis zur Fehlerfreiheit zu üben, mit dem Ziel, eine Orchesterstelle zu bekommen. Bis zu meinem 20. Lebensjahr hatte ich keinen Tuba-Unterricht. Davor habe ich viel kopiert: Ich habe mir angeschaut, wie andere etwas spielen, und das so lange nachgemacht, bis es nach meiner Vorstellung so geklungen hat wie bei den anderen.
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YouTube-Inhalte anzeigenIch bin sehr happy, so viele Sachen machen zu dürfen. Ein echtes Ranking ist schwer, denn das ändert sich mit der Zeit. Vor zehn Jahren wollte ich unbedingt eine Orchesterstelle haben. Jetzt, da ich schon ein paar Jahre im Orchester spiele, ist das vielleicht mehr in den Hintergrund gerückt als die Art von Musik, in der ich mich wirklich austoben und mit der ich mich richtig identifizieren kann.
Im Orchester muss man spielen, was da steht, und das sehr gut. Diese fünf Töne in dem Moment zu spielen, wenn 2000 Leute zuhören und alles still ist, bleibt immer eine Challenge. Traditionelle Blasmusik macht mir unglaublich viel Spaß. Bei den Egerländern zu spielen, ist ein in Erfüllung gegangener Kindheitstraum. Vor zwei oder drei Jahren kam ich an einen Punkt, an dem ich dachte, ich kann nicht noch irgendwo einen Sechzehntel-Lauf einbauen, ich habe alles ausgeschöpft. Dann kam Fättes Blech dazu, mit der Möglichkeit, Hip-Hop zu machen. Das kam mir sehr gelegen.
Ich habe mich richtig eingearbeitet: Wie macht der Sousaphonist Peter Laib von Moop Mama das, wie spielen Jazz-Bassisten diese Sachen? Was ist wichtig, welche Tonkultur, wie lange müssen solche Töne sein?
Ich suche mir gerne neue Challenges, aber das heißt nicht, dass ich das andere dann weniger mag. Wenn bei einer Sache der anfängliche Druck weg ist, kann ich es mehr genießen. So war das bei der Klassik auch: Da gab es diese krasse Phase, in der ich jeden Tag fünf bis sechs Stunden Tuba geübt habe, um sich später bei einer guten Stelle gegen 100 andere durchzusetzen. Obwohl ich jetzt nicht weniger übe, kann ich es mehr genießen, da der Druck ein bisschen reduziert ist.
Ich versuche jeweils eine Sache von der anderen lernen zu lassen. Ich habe klassisch Tuba studiert, habe über 15 Jahre eine gewisse Klangkultur entwickelt, lange Töne zu spielen. Natürlich kommt mir das bei Fättes Blech zugute, wenn ich wie ein Keyboard-Bass spielen muss.
Ich kann wiederum von der Egerländer Musik herausnehmen, wie man eigentlich simple Melodien auf kleinem Raum und mit Herz phrasiert, damit sie schön klingen.
In „Romeo und Julia“ von Prokofjew gibt es z. B. Linien mit den Kontrabässen, die wirkliche Melodien sind. Die Töne spiele ich natürlich metronomisch und intonatorisch so wie vorgegeben, aber trotzdem verleihe ich ihnen meinen eigenen Touch. Das kann ich schon oft gebrauchen.
Über allem steht tatsächlich die Tonkultur, egal was man spielt: Es muss ein guter Ton sein. Der Klang nimmt der Tuba das Dumme weg, das ihr manchmal anhaftet. Die Tuba ist ganz und gar nicht „blöd“ oder „meme-ig“, wenn jemand einen schönen, weichen Klang hervorbringt, der einem Cello ähnlich ist.
Man kann mit der klassischen Ausbildung alles spielen. Jemand, der nicht jahrelang klassisch trainiert hat, kann vom Feeling her auf jeden Fall die Egerländer Musik genauso gut wie ein klassischer Tubist spielen, aber vielleicht besitzt er nicht das Handwerk, das jeder Ton gleich gut klingt.
Einem ist ja völlig klar, was man gerade macht. Ich spiele mich auch anders ein. Bei den Egerländern spiele ich meistens F-Tuba, da bin ich viel in der Mittellage, muss sehr kurz spielen, sehr prägnant, muss eigentlich nie binden, mache viele Artikulationsübungen. Wenn ich mich so aufwärme und spiele dann eine Götterdämmerung von Wagner, würde das nicht gut gehen, da muss ich mich ganz anders aufwärmen.
Bei Fättes Blech ist wiederum das Solistische die Herausforderung, viel „Zirkus“, viel hohe Töne und Lippentriller, schnelle Techno-Beats. Ich weiß also vorher genau die Anforderungen und wie ich mich darauf vorbereiten kann.
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YouTube-Inhalte anzeigenDer einzige, der sich da Stress macht, bin ich. Ich denke manchmal, irgendwas kann nicht stimmen, mindestens die Hälfte davon muss gefaked sein, weil sich einige Leute nur auf eine Sache konzentrieren und ich einfach alles mache.
Ich hoffe, dass es so ist! Am Ende des Tages ist es ein Nachahmen. Man hört sich Sachen aus einem Stil an und versucht sie nachzumachen. Einfach zuhören und machen. Ich habe nie Unterricht bekommen in verschiedenen Stilen. Das Tuba-Studium ist ja rein klassisch und man kann nicht Egerländer- oder Hip-Hop-Tuba studieren, das ist reine Imitation oder Eigenschöpfung.
In unserem 500 Einwohner-Dorf im Allgäu gab es zwei Möglichkeiten: Musik- oder Fußballverein. Eigentlich wollte ich Fußball spielen, aber ich war ein bisschen pummelig und langsam. Das hat dann keinen Spaß gemacht. Mein Papa hat irgendwann von der Musikprobe ein Tenorhorn mitgebracht und mich zum Mitspielen animiert. Ich habe einfach rumprobiert und es ging dann irgendwie schnell, dass ich Melodien nachahmen konnte.
In der örtlichen Blaskapelle hieß es nach einem Monat dann: „Der alte Tubist geht zur Bundeswehr, wir brauchen einen neuen. Dann kaufen wir dem kleinen Hatzelmann eine Tuba und dann macht der das.“ Da wurde nicht viel überlegt und diskutiert, das war einfach so. Da war ich sechs oder sieben Jahre alt.
Steile These von mir: Die Egerländer Musik kann man nicht lernen, weil man sie nicht erklären kann, das kommt alles durchs Nachahmen. So wie man sagt, dass man den Rhythmus des Wiener Walzers nicht lernen kann, man muss damit aufwachsen.
Ich glaube, mit der Blasmusik ist es auch so. Diese spezielle Art, die Achtel in einem Lauf zu spielen, nicht ganz gerade, aber auch nicht triolisch, sondern etwas dazwischen, die man aber auch nicht rhythmisch berechnen oder aufschreiben kann, man kann es nur hören und gut nachahmen.
Ich versuche jeden Tag, meine Stunden dafür zu bekommen. Wenn ich viel zu tun habe, ist das Warm-Up mein Üben. Das dauert so anderthalb bis zwei Stunden. Die besten Sachen sind die absoluten Basics, bei denen man den größten Unterschied merkt. Lange Töne spielen. Sich hinsetzen, Kanne Kaffee, Metronom auf 50 und über vier Oktaven chromatisch spielen. Tonleitern, Mundstückübungen, Atemübungen. Ab und zu schwierigere Sachen, um sich wachzurütteln, was man nicht kann.
Mein Tipp wäre: Nimm dich auf, hör dir zu, welche Töne nicht gut sind, und immer den Ball flach halten.
Ich hatte bis vor ein paar Jahren damit gar nichts am Hut. Dann kam das böse „C“ und ich war daheim im Allgäu und hab die ersten Wochen und Monate durchgeübt, aber es gab keine Auftritte und nichts sonst und die Motivation hat gefehlt. Da habe ich gemerkt, dass ich auf dem Insta-Profil sehr viele Fragen bekommen habe: „Hast du nicht ein paar Übe-Tipps?“ Ich habe schon früher solche Anfragen bekommen, aber das nie so ernst genommen, weil ich lieber meine eigenen Sachen üben wollte und mich noch nicht bereit gefühlt habe.
Irgendwann wurden es mehr und ich dachte, bevor ich allen zurückschreibe, mache ich ein Video. Das war ein Video zum Thema Üben mit dem Metronom. Ich hab es bei meinem Bruder gedreht und hochgeladen. Danach war ich nur spazieren und abends hatte es schon 60.000 Views. Ziemlich schnell hat das angefangen, zu funktionieren. Der Ehrgeiz war da, ich hatte wieder ein Ventil und nutzte das als Motivation. Klassische Win-Win-Situation, die Follower-Zahl ist gestiegen und ich konnte üben und mein Niveau über die Corona-Zeit halten.
Irgendwann hat man auch da eine gewisse Routine. Wenn man weiß, dass es funktioniert, und hat auch angefangen Spaß zu machen, etwa, sich mit einem amerikanischen Tuba-Studenten auszutauschen, welches Mundstück gut ist. Ich sitz oft wahnsinnig viel alleine rum und übe – das ist das Medium mein Sprachrohr nach außen und ein Ventil. Irgendwann kamen die „doofen“ Videos dazu. Mir ist es wichtig, sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen, Sachen zu vermitteln, gewisse Übungen weiterzugeben.
Ich finde es toll, wenn mir jemand aus den USA schreibt, „Danke für die Tipps, ich habe dadurch die erste Runde eines Wettbewerbs geschafft“, aber es überfordert mich noch.
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YouTube-Inhalte anzeigenEs ist schon viel. Ich verdiene kein Geld bei Social Media und will das auch gar nicht. Dadurch kann ich machen, was ich will, und wenn ich fünf Tage nichts mache, dann poste ich halt nichts. Wenn ich Lust habe, dann mache ich das, und wenn nicht, dann nicht.
Ja, ich versuche alles auf dem iPad digitalisiert zu haben. Wenn ich Musik kaufe, alles online mit Downloads. Wer hat schon heute noch Bock, zwei Wochen auf ein Buch zu warten? Wir haben doch alle keine Zeit mehr…
Wenn jemand das will, ob Hobby oder Musikverein, kauf dir eine mittelmäßig gute B-Tuba, finde eine gute Lehrkraft, spiel die Basics von C-Dur bis Es-Dur. Mach dir außerdem bewusst: Wie willst du klingen, wer ist dein Vorbild?
Die nächste Richtung ist, aus der klassischen Literatur solistisch vor Orchester zu spielen und eine CD aufzunehmen. Wenn irgendwas länger als einen Monat im Kopf ist und nicht weg geht, muss ich es machen, sonst flippe ich aus, also werde ich das wohl bald machen.
Redakteur: Florian Boberski
Alles für Holz- und Blechbläser, Blasorchester oder Bläserensemble – hier findest Du Tipps zum Lernen und Üben, Termine, Noten-Empfehlungen und interessante Beiträge zu allen Themen rund um Blasinstrumente.
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